DAS BUSINESSMAGAZIN DER JUNGEN WIRTSCHAFT KÄRNTEN 01 2024 ERFOLGSFORMAT BUSINESS & BRUSSELS GRENZENLOSE MÖGLICHKEITEN FÜR DIE JUNGE WIRTSCHAFT IN DER EUROPÄISCHEN UNION SPECIAL ZUR EU-WAHL AM 9. JUNIFunfacts EU EU calling Die EU kann man anrufen. Sie hat die Telefonnummer 00 800 6 7 8 9 10 11. Damit erreichen Kontaktfreudige oder Wissbegierige aus Österreich das „Kontaktzentrum“ der Eu- ropäischen Kommission („Europe Direct“) an Werktagen von 9:00 bis 18:00 Uhr MEZ. Der Service ist kostenlos. Fragen über die EU werden vom Serviceteam in der jeweils passenden EU-Amtssprache beantwortet oder man wird weiterverbunden. Die EU liegt vor Afrika Der abgelegenste Teil der EU ist das französische Über- see-Département „La Réunion“, mehr als 9.000 Kilometer vom Regierungssitz Brüssel entfernt. Die Île de la Réunion (dt. „Insel der Zusammenkunft“) liegt im Indischen Oze- an, knapp 700 Kilometer östlich von Madagaskar. Sie ist nicht Teil des Schengenraums und in etwa so groß wie das Bundesland Vorarlberg. Wichtigster Wirtschaftszweig ist die Landwirtschaft mit der Produktion von Rohrzucker, Rum und Früchten. Was tut die EU für mich? Kurz und knapp: Für alle, die Zweifel haben und sich fragen, ob die EU wirklich ganz konkret für sie etwas macht, hat das Europäische Parlament eine sehr übersichtliche Website gestaltet: Hier erfahren Besucher:innen, aufgeschlüsselt nach vielen Themenbereichen, wie sich die Errungenschaften der EU auf das tägliche Leben auswirken. Friedensnobelpreis für die EU Im Jahr 2012 wurde die EU für ihren Einsatz für Frie- den, Versöhnung, Demokratie und Menschenrechte in Europa mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Das norwegische Nobelkomitee begründete seine Entscheidung mit der stabilisierenden Rolle der EU bei der Umwandlung Europas von einem Kontinent der Kriege zu einem Kontinent des Friedens. Die „Verbrüderung von Nationen“ entspräche den von Alfred Nobel aufgestellten Kriterien. Die EU hat das Preisgeld auf 2 Millionen Euro verdoppelt und an Bildungsprojekte für Kinder in Konfliktgebieten gespendet. Englisch geht immer Auch nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs bleibt Englisch eine der insgesamt 24 offiziellen Amts- und Arbeitssprachen der EU. Zum einen, weil Englisch nach wie vor in der „Verordnung Nr. 1“ aufgeführt ist. Und zum anderen, weil es ja auch in Irland und Malta offizielle Landessprache ist. Deutsch war übrigens im Jahr 1958 – gemeinsam mit Französisch, Italienisch und Niederländisch – eine der ersten Amtssprachen der EU. Baaj-baaj, EU! Vor dem Brexit gab es bereits den „Gröxit“. Grönland trat 1985 aus der europäischen Gemein- schaft aus. Als autonomer Bestandteil gehört die eisige Insel zum Königreich Dänemark. Die Grönländer:innen, zum größten Teil Ureinwohner:innen (Inuit), hatten aber immer gegen einen europäischen Staatenbund gestimmt, weil sie Eingriffe in die Fischerei befürchte- ten. Nach einer Volksabstimmung 1982 gab es Austrittsverhandlungen und schließlich löste sich Grönland 1985 von der EU. Es genießt aber die Vorteile des zollfreien Handels.Das erwartet dich in dieser Ausgabe Das Jahr 2024 ist ein wahres Superwahljahr: Neben der Nationalratswahl im September wird vor allem auch die EU-Wahl am 9. Juni das Land und seine Wirtschaftstreibenden für die kommenden Jahre prägen. Aus diesem Grund möchten wir uns in dieser Ausgabe mit den Vorteilen der Europäischen Union für junge Unternehmer:in- nen beschäftigen und werden dazu in unserer Coverstory praktische Beispiele aus unterschiedlichsten Branchen vorstel- len – von „Paul Potato“ über Film- und Fernsehproduktionen mit Weltstars wie Robbie Williams und „Seele baumeln lassen“- Urlaub bis hin zur Kasnudlbratwurst. Wir werden interessante Beispiele von EU-Förderungen beleuchten und geben Tipps, wie du als Unternehmer:in auch ein Stück vom Kuchen abbekommen kannst. Warum ein „Öxit“ keine gute Idee wäre? Nun, der Brexit hat uns bereits viele negative Auswirkungen eines Austritts aus der EU gezeigt. Die Kärntner Jungunternehmerin Stefanie Lobnig hat sich in Großbritannien ein spannendes Business aufgebaut und erzählt über die Nachteile des Brexits und die damit verbunde- nen Herausforderungen für ihr Unternehmen. Zudem stellen wir die vielfältigen Serviceleistungen der EU vor, die speziell für KMU und EPU große Vorteile bieten. Viel Spaß beim Lesen! Wahlen 2024: Deine Stimme zählt! Die bevorstehenden Wahlen bieten eine großartige Gelegenheit, Politiker:innen zu unterstützen, die deine Anliegen ernst nehmen und sich für ein unternehmerfreundliches Umfeld und eine zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik einsetzen. IMPRESSUM Medieninhaber und Verleger Wirtschaftskammer Kärnten Europaplatz 1, 9021 Klagenfurt Für den Inhalt verantwortlich Mag. Eva Maria Wutte, LL. M. Projektkoordination Ines Sulzer, BSc MSc; Mag. Sonja Zlöbl Anzeigenberatung Ines Sulzer, BSc MSc Autorinnen dieser Ausgabe Mag. Johanna Wohlfahrt (WJ), Margit Dietrich, BA (MD), Mag. Sonja Zlöbl (SZ) Lektorat Mag. Sigrid Strauß Gestaltung und Produktion Art Direction Jürgen Eixelsberger Foto Cover Christian Gössler/Dashmedia Das Magazin und alle enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Druck- und Satzfehler sowie alle Rechte vorbehal- ten. Alle Angaben Stand März 2024. Warum ist deine Teilnahme so wichtig? Erstens: Politik beeinflusst die Rahmenbedingungen, zu denen du als Unternehmer:in arbeitest. Zweitens: Die EU ist ein wichtiger Partner für die österreichische und damit auch die Kärntner Wirtschaft. Entscheidungen auf europäischer Ebene haben direkten Einfluss auf das nationale Unternehmertum. Drittens: Deine Teilnahme sendet ein starkes Signal an die politi- schen Entscheidungsträger:innen. Sie zeigt, dass junge Unterneh- mer:innen eine Stimme haben und ihre Anliegen ernst genommen werden müssen. Du möchtest aktiv über deine unternehmerische Zukunft in der EU mitdiskutieren? Dann komm am 13. Mai zur Podiumsdis- kussion der Jungen Wirtschaft mit dem Thema „Business & Brussels – Grenzenlose Möglichkeiten für die Junge Wirtschaft“! Inhalt Coverstory: Business & Brussels EU und Österreich EU-Binnenmarkt EU und Jungunternehmer:innen Förderungen Europawahl am 9. Juni 2024 G ra fik: depositpho tos/ a.na valn y; F ot o: depositpho tos/ panama555 3 ERF OL GSF ORMA T 01/2024Die Europäische Union ist ein Binnenmarkt von Weltrang. Längst haben wir uns an das freie Leben und Wirtschaften gewöhnt. Selbstverständlich ist es aber nicht. Sechs junge Menschen erzählen von genialer Grenzenlosigkeit aus Kärntner Perspektive. BUSINESS & BRUSSELS Was bringt mir die EU? 4 ERF OL GSF ORMA T 01/2024Friede und Freiheit – die grundlegenden Werte der EU. Kulturelle Vielfalt inklusive. Umfragen zeigen, was Menschen an der EU am meisten schätzen: in erster Linie, dass sie Demokratie, Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit achtet. Und an zweiter Stelle? Die geballte Wirtschafts-, Industrie- und Handelsmacht der EU. Was hier nach philosophischen Werten und ökonomischer Vision klingt, ist derart tief in unserem Alltag verwurzelt, dass wir es gar nicht mehr richtig wahrzunehmen scheinen. ME AND EU: BEST FRIENDS FOREVER An jedem einzelnen Tag, in unzähligen Situationen des Alltags, laufen die Dinge so, wie sie laufen, weil Entscheidungsträger:in- nen der Europäischen Union die Vorkehrun- gen dafür getroffen haben. Das Handy zum Beispiel – nicht mehr wegzudenken, vom Aufstehen bis zum Schlafengehen. Wir können über Landesgrenzen hinweg telefo- nieren und surfen, so viel wir wollen, ohne großartig an die Kosten denken zu müssen. Warum? Weil vor sieben Jahren die Roa- mingentgelte abgeschafft wurden. Oder, wichtig für insgesamt 17 Millionen Men- schen mit Lebensmittelallergie im EU-Raum: 2005 hat die EU die Informationspflicht für Lebensmittel eingeführt. Also, keine Angst mehr vor versteckten Erdnüssen. Und um noch ein Beispiel aus dem Alltag zu nennen: die EU-Forschungsmission „100 klimaneut- rale Städte bis 2030“ hilft Städten dabei, „intelligent“ zu werden. Als einzige Stadt in Österreich hat die Europäische Kommission die Kärntner Landeshauptstadt Klagenfurt zu einer dieser Klima-Vorzeigestädte er- nannt. Das heißt: Es gibt mehr Geld und Wissensaustausch und dafür weniger Energieverbrauch und CO 2-Emission. Was für ein Deal! GRENZENLOSE REISEFREIHEIT Das Dreieck der Länder (Österreich, Slowenien und Italien) bezeichnet doch bei Weitem mehr als geografische Nach- barschaft, oder etwa nicht? Sind wir Partner? Oder gar amici (ital. Freunde)? Und prijatelji (slow. Freunde)? Gerade auf unternehmerischer Ebene ergeben sich Berührungs- punkte und intensive Kooperationen über Grenzen hinweg, die uns dank der vier Grundfreiheiten der EU leicht verges- sen lassen, dass laut Landkarte eine Grenzlinie dazwischen verläuft. Kärntner Wirtschaftstreibende wie der Film- produzent Manuel Sackl („One Story TV“) schätzen die ➜ „ Indem aus vielen nationalen Märkten der stärkste Binnenmarkt der Welt wurde, stellen sich europaweite Lieferungen für uns heute so einfach und unkompliziert dar, als würden wir innerhalb Österreichs wirtschaften.“ – Christoph Frierss (rechts) mit Kurt Frierss, Fleisch und Wurstwaren PRAXISBEISPIEL Reisender Reporter Der 30-jährige Manuel Sackl ist gut gebuchter Filmproduzent und Fernsehredakteur, und wenn nicht in Europa, dann weltweit unterwegs – zuletzt an der Elfenbeinküste, in Indonesien und Thailand. Am einfachsten ist das berufliche Reisen natürlich innerhalb des EU-Binnenmarktes, wo die Personenverkehrsfreiheit für grenzenlosen Bewegungsspiel- raum sorgt. Der Feldkirchner Unternehmer beschäftigt laufend freie Mitarbeiter:innen, um die spannendsten TV-Storys und -Reportagen für nationale und deutsche Fernsehsender wie ARD, ZDF, Servus TV oder ATV in den Kasten zu bekommen. Er ist vor Ort, wenn tragische Unwet- terereignisse ganze Landstriche in Katastrophengebiete verwandeln, und er ist hautnah an Stars dran, um in Promimagazinen vom jüngsten Klatsch und Tratsch zu berichten. Sein persönliches Highlight war im Vorjahr: „Ein Interview mit Weltstar Robbie Williams. Es war unerwar- tet entspannt und es gab keinerlei Vorgaben oder Tabus. Der Sänger hat fünf Minuten lang auf alle Fragen geantwortet“, erzählt der Filmema- cher begeistert. Fo tos: Chris tian Gössler -D ashmedia, F rierrs/KK, Sackl/KK 5 ERF OL GSF ORMA T 01/2024PRAXISBEISPIEL Film ab! Als Geschäftsführerin der Graf Filmproduktion GmbH hat Livia Graf-Bechler ein spannendes Leben. „Der Zürich Krimi“, „Die Toten vom Bodensee“ und die vielen Tat- ort-Filme sind aus der deutschsprachigen Krimilandschaft nicht mehr wegzudenken. Österreichische und deutsche Filmteams, Produzent:innen und Schauspieler:innen arbeiten dabei Hand in Hand. Mal wird dort, mal da gedreht. „Die EU ist essenziell für die gesamte Filmlandschaft. Ich weiß nicht, wie wir es sonst schaffen würden, unsere Produktionen umzusetzen“, meint Livia Graf-Bechler. Die „Graf Film“ hat zwei Unter- nehmenssitze, einen in Klagenfurt und den anderen in München. „Das ist seit Beginn so. Wir wollen auch auf dem deutschen Markt vor Ort sein.“ Amüsantes Detail über die internationale Verwertung der TV-Krimis mit Kärntner Wurzeln: „Eine Mitarbeiterin von uns hat während ihres Auslandsurlaubs ganz zufällig unseren Landkrimi ‚Immerstill‘ (2023) über den Bild- schirm flimmern gesehen: in Uru- guay, synchronisiert in Spanisch.“ Reisefreiheit innerhalb der EU immens: „Du fährst eine Stunde die Autobahn entlang und bist in Italien.“ Kamera auspacken, drehen, fertig. „Ganz anders verlief zum Beispiel meine Anreise zu einem Dreh in Bosnien“, erzählt der Einzelunternehmer, „da wir die EU-Außengren- ze passiert haben, mussten wir einige Kontrol- len durchlaufen. Das hat natürlich viel Zeit gebraucht.“ Ganz zu schweigen vom Aufwand und den Gebühren, die der Filmemacher leisten muss, wenn er sein gesamtes technisches Equip- ment bei einer Zollkontrolle deklarieren muss. Aus diesem Grund kooperiert er außerhalb der EU gerne mit Kameraleuten vor Ort, das macht es einfacher. Alternativ dazu erleichtert das „Carnet ATA“, ein internationales Zolldokument, die vorübergehende Einfuhr der Ausrüstung in mehr als 80 Länder weltweit. Bereits im Zuge seiner Ausbildung profitierte der 30-jährige Feldkirchner ganz persönlich und direkt von einer EU-Förderung. Nach seinem Studium in Oberösterreich lebte er zwecks Praktikum bei einer deutschen Filmproduktionsfirma in München. Kein günstiges Pflaster, aber dank finanzieller Unterstützung durch das Programm Erasmus+ leistbar. Und der Arztbesuch beim bayrischen Mediziner? Dank e-card kein Problem. Sackl ist aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit viel unter- wegs: „Da fährst du ständig hin und her und musst dir keine Gedanken über irgendwelche Grenzen machen. Innerhalb der EU ändern sich nur die Sprache und die Kultur – das macht es vielfältig und spannend.“ KREATIVE KOOPERATIONEN Die kulturelle Vielfalt innerhalb der Europäischen Union ist ein Unikum, das besonders Menschen aus der Kultur- und Kreativbranche sehr zu schät- zen wissen. „Der freie Personen-, Waren- und Dienstleistungsverkehr ist essenziell für unser Schaffen. Nur so können wir unsere Projekte effizient und unkompliziert abwickeln“, meint Livia Graf-Bechler, die als Geschäftsführerin von „Graf Film“ länderübergreifende Koproduktionen for- ciert. Etwas betrübt erinnert sie sich an die Jahre der COVID-Pandemie: „Die Reisebeschränkungen haben deutlich gezeigt, wie eingeengt wir im Leben und Handeln sind, wenn die Grenzen dicht sind.“ Offiziellen Zahlen zufolge hat sich die europäische Filmproduktion seither weitgehend erholt, 2022 wurden 1.960 Filme in der EU und im Vereinigten Königreich produziert – das zweithöchste Produk- tionsniveau seit 2014. Aber aufgrund der starken Präsenz US-amerikanischer Filme (rund zwei Drittel des Angebots) unterstützt die EU heimische Filmproduktionen mit öffentlichen Subventionen, damit sie mithalten können. Im Rahmen von Kultur- und Filmförderprogrammen wie MEDIA oder EURIMAGES hat auch die Kärntner „Graf Film“ Zugang zu finanziellen Mitteln, die zwar „etwas umständlich zu beantragen sind, aber uns ein größeres Budget und damit mehr Chancen und hochwertigere Produktionen ermöglichen“, so Graf-Bechler. Auch die jeweiligen Län- der, in denen gedreht wird, bieten interessante Filmfördermodelle. Begehrte Drehorte für die international beliebten Fernsehfilme der „Graf Film“ sind vor allem Deutschland, Tschechien und Italien. Wermutstropfen ist allerdings die fremde Währung in Die vier Grundfreiheiten Die vier Grundfreiheiten – Frei- er Warenverkehr, Personen- freizügigkeit, Dienstleistungs- freiheit und Freier Kapital- und Zahlungsverkehr – bilden die Grundlage des Binnenmarktes der Europäischen Union. Im Internationalen Vergleich stellt der Europäische Binnenmarkt so den derzeit größten Wirt- schaftsraum der Welt dar. „Der freie Personen-, Waren- und Dienstleistungsverkehr ist essenziell für unser Schaffen. Nur so können wir unsere Projekte effizient und unkompliziert abwickeln!“ – Livia Graf-Bechler, Film- und Fernsehproduzentin 6 ERF OL GSF ORMA T 01/2024PRAXISBEISPIEL Grund und Boden Wer braucht ihn nicht? Einen PVC-Boden, der sich so einfach wie ein Puzzle verlegen lässt. 2017 hat Johannes Reimansteiner sein Handelsunternehmen in St. Stefan im Lavanttal gegründet. „Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort“, so erklärt er den wirtschaftlichen Erfolg, der sich von Beginn an einstellte. Die COVID-Pandemie, in der das Heimwerken und ambitionierte DIY-Projekte in Haus und Garten zum sinnvollen Zeitvertreib wurden, wirkte wie ein Booster für den Vertrieb der Kunststoffböden. In unzähligen Garagen, Werkstätten und Betriebshallen wurde damit eine neue „Grund-Lage“ für Heimwer- kerkönig:innen geschaffen. So ein neuer Boden ist schnell verlegt, der Untergrund danach rutschsicher und einfach zu reinigen. Für „Easyfloor“ ist der freie Warenverkehr innerhalb der EU unerlässlich. Produziert wer- den die Bodenelemente vor allem in Schweden und Tschechien. Seit sei- ner Gründung ist das Unternehmen, gemessen am Auftragsvolumen, um das Zehnfache gewachsen. Tschechien, womit zugleich ein weiterer Pluspunkt der EU deutlich wird: die Währungsunion. „Wir planen die Budgets für unsere Filme mindestens ein halbes Jahr im Voraus. Kursschwankungen können unsere Projekte dann unerwartet teurer machen. Dazu fällt mir auch noch ein, dass wir in puncto Bankspesen und steuer- rechtlicher Thematiken innerhalb der EU ganz klar im Vorteil sind. Also, hoch lebe die EU“, sagt die Filmproduzentin lächelnd. GRÜNE WERTE: EU UND DIE UMWELT Livia Graf-Bechler ist es ein persönliches Anlie- gen, im familieneigenen Unternehmen so viele Richtlinien des „Green Filming“ wie möglich umzusetzen: „Diesbezüglich findet ein reger Austausch zwischen den Ländern statt. Die Institutionen der EU bieten ‚grüne Boni‘ und sind regelmäßig um Harmonisierungsvorschläge bemüht.“ Die Palette diesbezüglich reicht von nachhaltiger Mobilität über Feststromanschlüsse am Filmset bis hin zur Verwendung von Second- Hand-Kostümen für die Schauspieler:innen und Mehrweggeschirr bei der Verpflegung am Set. KÄRNTNER WAREN IN DER WEITEN WELT Viele heimische Unternehmen, die auf die Erzeu- gung von oder den Handel mit Produkten speziali- siert sind, versenden ihre Waren weltweit. Dabei macht es sich gleich auf mehreren Ebenen be- merkbar, ob die Kund:innen und Handelspart- ner:innen sich innerhalb des EU-Binnenmarktes oder in Drittstaaten befinden. Johannes Reimansteiner, Geschäftsführer von „Easyfloor“, sieht ausschließlich Vorteile, wenn er PVC-Böden innerhalb des EU-Raums verkauft: „Wir versenden vor allem innerhalb Österreichs und nach Deutschland und beziehen aus Tschechi- en und Schweden. Der freie Warenverkehr ist fantastisch: Wir müssen keine Zoll papiere ausfül- len und können Waren inner gemein schaft lich ganz unkompliziert erwerben, liefern und besteu- ern. Im Gegensatz dazu: Bestellungen aus der Schweiz sind deutlich aufwändiger zu bearbeiten und meist überhaupt erst ab einem gewissen Auftragsvolumen rentabel.“ Als sinnvoll erachtet der Unternehmer auch EU-weite, weil einheitliche, Regelungen. Etwa in Bezug auf die Inhaltsstoffe von Produkten – in seinem Fall Weichmacher in Kunststoffböden. „Es ist ganz klar von Vorteil, wenn nicht jedes Land sein eigenes Süppchen kocht, sondern entspre- chende Zertifikate in allen Ländern anerkannt sind.“ Mit dem Brexit ergab sich übrigens eine interessante Wende in der Marktstellung des Kärntner Unternehmens: „Der Austritt Großbritan- niens aus der Europäischen Union hat uns einen Wettbewerbsvorteil innerhalb des europäischen Marktes verschafft“, so Reimansteiner. „Zwei unserer Mitbewerber sind britische Unternehmen. Dort bestellen die Kund:innen jetzt nicht mehr so gerne, weil die Waren wieder über den Zoll abge- wickelt werden müssen. Das spielt uns in die Karten“, so der erfolgreiche Unternehmer. ➜ Die EU erschließt Österreichs Unternehmen einen Binnenmarkt mit 450 Millionen Einwohner:innen. Profitieren können von der Beseitigung von Hindernissen insbesondere kleine und mittlere Unternehmen. Fo tos: H elga R ader /G ra f Film, eas yfloor /KK, depositpho tos/W av ebr eakmedia 7 ERF OL GSF ORMA T 01/2024PRAXISBEISPIEL Nicht Wurst Ausgerechnet ein Kärntner Traditionsunternehmen beliefert japanische Fein- schmecker:innen mit italienischer Mortadella. Der Familienbetrieb Frierss hat 130 Mitarbeitende und produziert feine Fleisch- und Wurstwaren an zwei Stand- orten in Kärnten (Villach und Treffen am Ossiacher See), betreibt jeweils zwei Geschäftsfilialen in Villach und Klagenfurt und genießt in Japan einen exzellen- ten Ruf als Hersteller und Lieferant von Mortadella und Rohschinken. Natürlich, der größte Absatzmarkt ist der heimische, aber 80 Prozent aller Exportwaren gehen in den asiatischen Raum. „Als fünfte Generation im Unternehmen ist es mein Ziel, den Export weiter auszu- bauen“, sagt Christoph Frierss, der sich nicht nur in wirtschaftlichen, sondern auch in kulinarischen Belangen durch Innovationsgeist auszeichnet. Er er- zählt vom jüngsten Clou im Kühlregal: Pünktlich zum Start in die Grillsaison wird die Kasnudlbratwurst mit erfri- schender Topfen- und Minze-Nuance das Feinkostsortiment erweitern. Und jetzt Mahlzeit! GRENZENLOSER GENUSS Der Freie Verkauf von Waren ist auch für den Kärntner Familienbetrieb „Frierss“ das „Nonplusultra“, wie Ge- schäftsführer Christoph Frierss betont: „Indem aus vielen nationalen Märkten der stärkste Binnenmarkt der Welt wurde, stellen sich europaweite Lieferungen für uns heute so einfach und unkompliziert dar, als würden wir innerhalb Österreichs wirtschaften.“ Für einen traditionsgeprägten Lebensmittelproduzenten wie ihn, der Wert auf regionale Rohstoffe und Wert- schöpfung legt, ist es allerdings schwierig zuzusehen, wie Billigfleisch vom anderen Ende der Welt auf den heimischen Markt drängt. Er sorgt sich darum, konkur- renzfähig bleiben zu können: „Wir beziehen unsere Rohstoffe (Anm.: Fleisch) ausschließlich von österreichi- schen Produzent:innen. Diese unterliegen aber strenge- ren Auflagen als in anderen Ländern. Das heißt zugleich: Die Qualität ist zwar besser, aber teurere Rohstoffe bedeutet höhere Preise.“ Einen möglichen Ausweg sieht der Villacher Unternehmer darin, auf den weltweiten Markt zu expandieren. Japan ist in den vergangenen Jahren zu einem wichtigen Abnehmer der Kärntner Fleischspezialitäten geworden: „Die Menschen in Japan sind sehr genussaffin. Sie wissen, dass gute Qualität ihren Preis hat.“ Als größte Heraus- forderung beim Export auf den asiatischen Markt sieht der Villacher Unternehmer die detailreichen Regulato- rien und Zertifikate, die erfüllt sein müssen: „Sie stellen einen großen Aufwand für unseren Betrieb dar.“ AußenwirtschaftsCenter der Wirtschaftskammer, die in wichtigen Städten auf der ganzen Welt vertreten sind, sind dabei eine hilfreiche Stütze. EU-PENDLER – LEBEN HIER, ARBEITEN DORT Zurück in die vertrauten Gefilde der EU: Für den Villa- cher Unternehmer Christoph Frierss ist es, wie für viele andere hierzulande, essenziell, Fachkräfte aus anderen EU-Staaten beschäftigen zu können. „Bis hin zu unseren Abteilungsleitern beschäftigen wir viele Menschen, die täglich zwischen Slowenien und Villach pendeln. Sie sind unverzichtbarer Teil unseres Erfolgs“, so Frierss. Ähnlich verhält es sich bei „Gusta Garden“, einem Unter- nehmen am Ossiacher See, das Urban-Gardening-Produkte entwickelt und vertreibt. Die gesamte Produktion findet in Slowenien statt: „Für uns liegt Novo Mesto deutlich näher als Wien. Insofern bezeichnen wir unsere Produktion als ‚regional‘, auch wenn sie in einem anderen Land stattfindet“, so Fabian Pirker, Geschäftsführer und Mitgründer von „Gusta Garden“. Die Herstellung von Pflanzgefäßen, Erden und Samen übernimmt ein slowenisches Familienunter- nehmen, das über ein motiviertes Team und langjähriges Know-how verfügt. „Der Preis stimmt, wir können persön- lichen Kontakt pflegen und wir haben den Vorteil, dass wir unsere Waren auch in Slowenien lagern und im Hafen von Koper auf den Lieferweg schicken können. Kurze, umwelt- freundliche Transportwege liegen uns am Herzen und entsprechen unserer Firmenphilosophie“, meint Pirker. Der freie Warenverkehr innerhalb der EU ist ein deutlicher Vorteil gegenüber Drittländern, in denen nicht nur Zollge- bühren und Steuern anfallen, sondern auch Kontrollsyste- me bezüglich pflanzlicher Produkte durchlaufen werden müssen. „EU“RLAUBEN IN ÖSTERREICH Für 700 Gäste aus dem In- und Ausland haben die „Naturel Hotels & Resorts“ am Faaker See Platz. Geschäftsführerin Hannah Widnig erlebt nicht nur im wirtschaftlichen Betrieb, sondern hautnah an den (internationalen) Gästen, was es bedeutet, in der EU zu leben: „Dank EU und Schen- genraum ist es einfach, zu verreisen. Unsere Gäste haben einen Pass oder Personalausweis mit, um sich auszuweisen. „Gusta Garden“ zeigt mit seinen Produkten, dass „Regionalität“ nicht an Landesgrenzen enden muss. 8 ERF OL GSF ORMA T 01/2024PRAXISBEISPIEL Gärtnern mit Stil „Gusta Garden“ ist seit 2017 auf die Herstellung von stylischen Produkten für die „städtische Landwirtschaft“ spezialisiert. Das innovative Team rund um Fabian Pirker ist fokussiert darauf, Urban Gardening so einfach und ökologisch wie möglich zu machen – damit selbst auf kleinstem Raum frische Kräuter, Gemüse und Naschobst gedeihen können. „Paul Potato“ ist das vermutlich prominenteste Produkt aus dem Sortiment, das Pflanztöpfe, Licht- und Bewäs- serungssysteme, Saatgut und biologische Dünger umfasst. Das Unternehmen beschäftigt in Bodensdorf am Ossiacher See und in Feldkirchen elf Mitarbeiter:innen. Die Herstellung der Produkte erfolgt in Slowenien, der Vertrieb über die eigene Website und diverse Händler (Baumärkte und Garten- center) und Onlinemarktplätze. Der Großteil der Kund:innen ist im deutschsprachigen Raum zu Hause, die Produkte sind aber auch europa- und weltweit gefragt. Das junge Unternehmen legt Wert auf Nachhaltigkeit und Regionalität. Vom Energieforum Kärnten wurde „Gusta Garden“ mit dem Nachhaltigkeitszertifikat ausgezeichnet. PRAXISBEISPIEL Kärnten ist ein Dorf Menschen einen Ort zum Wohlfühlen bieten zu können, das ist die Leidenschaft von Hannah Widnig. Am Faaker See betreibt die Villacherin die „Naturel Hotels & Resorts“, in denen insgesamt 700 Gäs- te eine Unterkunft finden. Die meisten Erholungsuchenden sind Familien mit Kindern, zu 80 Prozent aus Deutschland. Im Winter kommen vor allem Gäste aus Italien und Holland. Hannah Widnig ist stellvertre- tende Vorsitzende des Landesvorstands der Jungen Wirtschaft und nicht nur deshalb liegt es ihr am Herzen, als attraktive Arbeitgeberin im Tourismus die Region zu stärken. In der Hochsaison beschäftigt sie in ihrem Betrieb an die 120 Mitarbeiter:innen. Weil es gelingt, gut die Hälfte des Personals ganzjährig auszulasten, kann sie sich auf motiviertes Stammpersonal verlassen. Die Arbeitsanfragen aus dem EU-Raum nehmen sukzessive ab. „Wir brauchen Saisonarbeitskräfte aus Drittländern, allerdings sind die Kontingente dafür zu knapp bemessen“, meint Widnig. Mehr brauchen sie nicht. Die Währung ist (fast) überall dieselbe, Telefonieren ohne Roaminggebühren und Internetzugang sind Standard.“ Als Arbeitgeberin in der Tourismusbranche weiß Widnig den freien Zugang aller EU-Bürger:innen zum Arbeitsmarkt zu würdigen. „Zum Glück trifft uns der Fachkräftemangel nicht so hart wie viele andere in der Branche. Wir haben seit vielen Jahren gutes und treues Stammpersonal. Zugute ist uns vor einigen Jahren eine Entscheidung in der Asylpolitik der EU gekommen: 2015 konnten wir Lehrlinge aus Afghanistan aufneh- men und ausbilden. Das hat gut funktioniert.“ ENDE GUT, ALLES GUT? Ist es tatsächlich möglich, die EU zu lobpreisen, ohne auch nur auf den kleinsten Funken Kritik zu stoßen? Bis hierher im Text, ja. Im Gespräch mit Kärntner Wirtschaftstreibenden ergeben sich gewiss auch Themen, die nicht alle zum Jubeln bringen. Manche Touristiker:innen würden sich angesichts des anhalten- den heimischen Fachkräftemangels eine Erhöhung des Kontingents von Saisonkräften aus Drittstaaten wün- schen. Außerdem ist das EU-Lieferkettengesetz derzeit in aller Munde. Dadurch werden Unternehmen künftig dazu verpflichtet sein, entlang ihrer Lieferketten grund- legende Menschenrechts- und Umweltstandards einzuhalten. Klingt nach logischem Verantwortungs- bewusstsein, wirft aber Befürchtungen für die prakti- sche Umsetzung auf: Muss tatsächlich ein Unter - nehmen dafür haften, wenn Zuliefer:innen etwas falsch machen? Und was ist mit der zu erwartenden über- bordenden Bürokratie, dem finanziellem Mehraufwand und damit einhergehender Wettbewerbseinschrän- kung? Vielleicht wird es aber auch so sein, wie es bisher nahezu immer war: Viel Kritik zu Beginn und am Ende wird es gut sein, so wie es ist. Man denke an das Rauch- verbot in Gastronomiebetrieben oder die Kennzeich- nungspflicht von Lebensmitteln. Oder vermissen Sie den Tabakrauch am Mittagstisch? (MD) ■ „ Es ist ganz klar von Vorteil, wenn nicht jedes Land sein eigenes Süppchen kocht, sondern entsprechende Zertifikate in allen Ländern anerkannt sind.“ – Johannes Reimansteiner, Easyfloor Fo tos: Ale xander Wieselthaler /G us tagar den, F rierrs/KK, G us tagar den/KK, Adrian H ipp /N atur el 9 ERF OL GSF ORMA T 01/2024Next >