Gekommen, um zu gründen
Erfolgskonzept
In Kärnten haben laut Statistik Austria über 14 Prozent der Bevölkerung einen Migrationshintergrund. Naheliegend also, dass sich auch bei den Wurzeln unserer Unternehmer verschiedenste Ursprünge finden. Wir haben uns auf die Suche nach persönlichen Beweggründen und wirtschaftlichen Auswirkungen gemacht.
Die Zahl der ausländischen Entrepreneure steigt. 2018 gab es laut Wirtschaftskammer Österreich 119.000 Firmenchefs, die nicht in Österreich geboren wurden. In der Bundeshauptstadt Wien ist die Konzentration besonders hoch – dort haben fast 40 Prozent der 125.000 Unternehmer ausländische Wurzeln. Auch in Kärnten gibt es immer mehr Zuwanderer, die sich für die Selbstständigkeit entscheiden. „Gerade in Städten wie Villach und Klagenfurt sieht man immer mehr migrantische EPU und KMU, aber auch größere Unternehmen mit Konzernstruktur“, wissen Kathrin Zupan und Marika Gruber von der Fachhochschule Kärnten, die in ihrer MATILDE-Studie „Economic impact of migration on rural areas“ die wirtschaftlichen Auswirkungen der ausländischen Unternehmen auf Kärnten untersuchen. Vorwiegend kommen die Gründer aus der EU – vor allem aus Deutschland und Italien – oder anderen europäischen Ländern wie der Türkei, aber auch aus Afghanistan oder Syrien. Die Beweggründe sind vielseitig.
Trends und Branchen: Kärntner Lokalaugenschein
„Bei einem interkulturellen Stadtspaziergang in Villach haben wir viele migrantische Unternehmen in den Bereichen Taxigewerbe, Lebensmittelhandel und Gastronomie, Friseure, Schneidereien gesehen. Das alte Handwerk – wie im Fall der Schneidereien – wird wieder belebt“, erzählt FH-Projektmitarbeiterin Kathrin Zupan. Tatsächlich lässt sich dieser Trend auch aus einer Statistik der Wirtschaftskammer Kärnten aus dem Jahr 2019 erkennen: Die Fachgruppen Gastronomie, Versand-, Internet- und allgemeiner Handel sowie gewerbliche Dienstleister sind hoch im Kurs. Auch immer mehr Frauen entscheiden sich dazu, unternehmerisch tätig zu werden.
Freiwillig selbstständig?
Nicht alle Gründungen durch Menschen mit Migrationshintergrund erfolgen freiwillig. Viele von ihnen haben keine Möglichkeit, ihren ursprünglich erlernten oder studierten Beruf in Österreich auszuüben. Daran schuld sind meistens die fehlende Anerkennung von im Ausland erworbenen Ausbildungen und das nichtvorhandene Netzwerk. Wer neu kommt, hat es oft schwer – vor allem dann, wenn das Herkunftsland besonders exotisch ist oder mit Krieg und Kriminalität in Verbindung gebracht wird. Mittlerweile gibt es verschiedene Gründungs- und Unterstützungsprogramme, die den Einstieg ins Unternehmerleben vereinfachen – zum Beispiel vom AMS oder auch von der Wirtschaftskammer Kärnten, die mit Workshops, Mentorings und Sprechtagen die Themen Integration und Migration noch stärker in der Wirtschaft verankern möchte.
Vorurteile und Weitblicke
Es ist keine Seltenheit, dass Unternehmer mit Migrationshintergrund mit Vorurteilen und erschwerter Bürokratie zu kämpfen haben. Was für unsereins oftmals sogar per Klick zu erledigen ist, bedeutet für ausländische Gründer meist eine Vielzahl komplizierter Wege. Sprachliche Barrieren verursachen zusätzlich Missverständnisse und Verzögerungen. „Viele unserer Interviewpartner sprachen von einem Gefühl, besonders viel leisten zu müssen, um akzeptiert zu werden“, erzählt Kathrin Zupan. „Das diente den meisten aber als Ansporn zu zeigen, was sie können.“ Leider bleiben Misstrauen, rassistische Bemerkungen oder generelle Ablehnung auch trotz Anstrengung nicht aus: Vorwürfe zu Korruption, Arbeit für Schwarzgeld, Steuerhinterziehung, fehlende Kompetenz – woher kommen diese Behauptungen? Wer reist und das alltägliche Leben in anderen Ländern beobachtet, erkennt schnell: andere Länder, andere Sitten. Das gilt für unsere gern besuchten Nachbarländer im Alpen-Adria-Raum ebenso wie für weiter weg gelegene Staaten. Die mitgebrachte Work-Life-Balance, die Art der Kommunikation oder die internen Abwicklungen „passen“ vielleicht nicht immer in unser gewohntes Erscheinungsbild. Ehrgeiz, Fleiß und eine große Portion Mut stecken aber hinter jedem gegründeten Unternehmen – der Geburtsort sollte dabei keine Rolle spielen. Fakt ist nämlich, dass ausländische Unternehmen das Bild der Kärntner Wirtschaft sogar positiv prägen: „Die Gründung neuer Unternehmen und die Erweiterung bestehender Dienstleistungen haben durchaus erfreuliche Auswirkungen auf die gesamte Region – es gibt deutliche Hinweise darauf, dass Kärnten als Wirtschaftsstandort durch sie an Bedeutung gewinnt“, so Gruber. „Unternehmer mit Migrationshintergrund tragen durch ihre in Kärnten ansässigen, aber auf internationaler Ebene durchgeführten Geschäftsaktivitäten zur Internationalisierung Kärntens bei.“